Dienstag, 24. April 2012

Wunder im Garten

Gut behütet in Blüten
Menschen sind merkwürdig. Wenn sie denken, da steht etwas, dann sehen sie auch, dass da etwas steht.

Nach einer Zeit hatte sich mein Finder so daran gewöhnt, dass ich auf meiner Steinscheibe stehe und in den Garten schaue, dass er mich dort sah, ob ich nun dort stand oder nicht. Vielleicht konnte er sich nur nicht vorstellen, dass kleine Bären mit blauem Schal um den Hals gerne einmal woanders sind, als auf einer Steinscheibe auf der Fensterbank.

Zwar war der Ausblick in den Garten vergnüglich, Meister Lampe trieb sich dort herum, auch ein Eichhörnchen und ein Igel, einmal sogar ein Grünspecht. Aber auf Dauer war ich viel zu neugierig, und wollte mehr von der Welt entdecken.

Eines seligen Vormittages war es soweit: Mein Finder schaute gedankenverloren auf den Bildschirm seines Laptops, ab und an tippten seine Finger ein paar schnelle Worte in die Tastatur. Dann wieder schweifte sein Blick durch Raum und Garten, ohne irgendwo Halt zu finden oder irgendetwas zu vergegenwärtigen. Da traute ich mich: Ich trat einen Schritt zur Seite, dann noch einen und noch einen, und schließlich wagte ich den letzten, den großen Schritt hinunter von meiner Steinscheibe.

Wieder schaute mein Finder blicklos rundum, heftete einen kleinen Moment seine so seltsam verlorene Aufmerksamkeit auf die eben von mir verlassene Steinscheibe, und lächtelte dabei entrückt, als sähe er mich dort stehen, wenn auch durch einen Schleier.

Da wusste ich: Mein ist die Freiheit! Ich konnte mich hin- und herbegeben, und immer würde auf der Fensterbank ein kleiner Bär mit blauem Schal um den Hals auf einer Steinscheibe stehen, denn wo ein Wille ist, diesen Bären zu sehen, da ist auch eine Sichtweise.

Als erstes zog es mich in den Garten. Dabei machte ich eine weitere, für mich so wichtige Entdeckung: Ich war ein Wunschwanderer. Ein Wunschwanderer kann etwas sehen, oder er kann sich etwas vorstellen, und schon war er dort, wo er hinwollte, schwupps, und alles "wie" war vergessen. Es ist so ähnlich wie mit dem Gefundenwerden. So wie der Schlaf der kleinere Bruder des Todes ist, ist das Wunschwandern die kleinere Schwester des Gefundenwerdens.

Vergissmeinnicht die Farbe meines Schals!
Sicherlich musste ein guter Wunschwanderer, oder, die gab es genauso: eine gute Wunschwanderin, genau wissen wohin er oder sie wollte. Der Rest ging dann ganz von selbst.

Ich entdeckte, dass ich ein Wunschwanderer war, als ich, fast am Rande der der Verzweiflung, einen Weg vom Fensterbrett in den Garten suchte. Es blühte dort nämlich gerade ein kleines Obstbäumchen so herrlich auf, dass ich so unglaublich gerne dort sein wollte. Dieses Bäumchen, später erfuhr ich, dass es sich um ein Nashi-Birnbäumchen handelte, hatte durch die Zartheit der weißen Blüten eine Sphäre von Freude und Freundlichkeit, dass ich mir sicher war, er könne von Elfen und Devas bewohnt sein. Ich wünschte mir nichts dringlicher, als in diese Atmosphäre von Licht und Leichtigkeit eintauchen zu dürfen.

Es begab sich ein kurzes Einhüllen meines Körpers in eine samtenweiche Lichtblase, ich glaub, wenn ich Härchen gehabt hätte, hätten diese sich aufgestellt, und ich fand mich inmitten zarter weißer Blüten wieder.


Im Blütenwald
Durch diesen Blütenwald schaute ich zum Klein Häuschen. Es war für mich, dem kleinen Bärten mit dem blauen Schal, ein gar riesiges Büschel duftiger Blüten. Ich schaute zum Klein Häuschen, durch das große Atelierfenster hindurch, besorgt, dass mein Finder mein Fehlen bemerke. Der aber saß zudfrieden vor seinem Bildschirm und bemerkte gar nichts außer seinen kleinen schwarzen Buchstaben. Da umfing mich ein großes seliges Glück, wie ein Schauer durchströmte es vom Baume her, in dem ich stand, durch meine Füße, Beine, meinen Bauch und Kopf, um mich mit aller Welt und mit dem Firmament zu verbinden, in welches die friedliche Sonne ihr Leuchten schickte. So groß die Welt! So schön die Welt!

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